„Du siehst doch wieder ganz gesund aus“ – Warum Brustkrebs nicht einfach vorbei ist

02.06.2025

Ein Gespräch mit Diana, 52 Jahre, 3 Jahre nach ihrer Brustkrebsdiagnose

Diana, du hattest vor drei Jahren Brustkrebs. Wie geht es dir heute – körperlich, mental, im Alltag?
Ich arbeite wieder und viele glauben, ich sei gesund – das sieht man mir ja auch an. Aber ehrlich gesagt, bin ich nicht dieselbe wie vorher. Ich merke das ich deutlicher langsamer bin im Kopf und das es mich besonders viel Anstrengung kostet, dies vor anderen zu verstecken. Wir leben in einer Leistungsgesellschaft in der wir alle funktionieren müssen. Aber vielleicht müssen wir das Wort "Leistung"mal stärker im Arbeitskontext hinterfragen. Denn es ist eigentlich normal, dass wir nicht immer top performen.
Außerdem schlafe ich schlecht, oft nur zwei, drei Stunden pro Nacht. Ich habe Fatigue, also diese extreme Erschöpfung, und meine Nerven sind durch die Chemotherapie dauerhaft geschädigt. Das zeigt sich vor allem durch Neuropathien – ein ständiges Kribbeln in Händen und Füßen.

Das klingt, als sei die Erkrankung zwar medizinisch „vorbei“, aber noch lange nicht verarbeitet.
Genau. Man spricht oft davon, dass man nach dem Krebs „zurück ins Leben“ kehrt – aber es ist ein anderes Leben. Ich bin zurück im Job, aber mein Energielevel ist nicht mehr wie früher. Und oft wird das nicht verstanden. Viele erwarten, dass man wieder genauso funktioniert wie vorher – aber das geht nicht.

Wie hat dein Umfeld auf deine Krankheit reagiert?
Das war sehr gemischt. Manche Menschen, vor allem aus dem engeren Kreis, waren unglaublich unterstützend. Andere – meist eher Bekannte – haben sich komplett zurückgezogen. Warum, weiß ich bis heute nicht. Vielleicht waren sie überfordert, vielleicht wussten sie nicht, wie man mit so einer Situation umgeht. Aber das tut trotzdem weh.

Gab es auch Momente, die dir besonders geholfen haben?
Ja, der Austausch mit anderen Betroffenen war unglaublich wertvoll. Ich war in mehreren Selbsthilfegruppen, in denen ich einfach offen sprechen konnte – ohne Filter. Diese geschützten Räume sind so wichtig. Alles andere in der Behandlung ist oft funktional, medizinisch, hart. Aber dort war Menschlichkeit. Wärme. Verständnis.

Du sprichst offen über deine Krankheit – aber wie transparent warst du im Job?
Das ist ein schwieriges Thema. Ich habe lange überlegt, wie viel ich erzählen soll. Inzwischen glaube ich, dass Offenheit helfen kann – aber sie ist nicht einfach. Gerade wenn dann Sätze kommen wie: „Ich schlafe auch schlecht, das sind sicher die Wechseljahre.“
Solche Aussagen nerven mich ehrlich gesagt. Ich nehme starke Medikamente, die hormonell viel stärker wirken als eine natürliche Umstellung. Es ist nicht vergleichbar – und oft fühlt sich solche „falsche Empathie“ eher abwertend an.

Wie war die Therapiezeit für dich – was ist dir besonders in Erinnerung geblieben?
Die Chemotherapie war brutal. Sechs Stunden Infusion am Tag. Und dann das Warten. Ich erinnere mich besonders an eine Frau, mit der ich regelmäßig dort war. Wir haben uns während der Sitzungen unterhalten, einander Mut gemacht. Dieses Gefühl, nicht allein zu sein – das hat getragen.

Und dann war da noch das Essen. Ich hatte Heißhunger – und gleichzeitig konnte ich kaum etwas runterbekommen. Alles schmeckte anders, roch fremd. Mein Körper verlangte plötzlich nach Dingen wie Blutwurst, rotem Fleisch, fettem Fisch – lauter Sachen, die ich sonst nie esse. Aber ich hatte einen massiven Eisenmangel. Mein Körper wusste offensichtlich, was er brauchte.

Was hilft dir heute, mit der neuen Realität umzugehen?
Ich habe für mich kleine Rituale gefunden: mentale Übungen, Atemtechniken, Yoga. Und ich versuche, mir bewusst Pausen zu nehmen. Ich telefoniere auch oft mit Frauen aus meinem Netzwerk – einfach, um nicht allein mit meinen Gedanken zu sein.

Und ich habe gelernt, meine Grenzen zu akzeptieren. Das ist wohl das Wichtigste.

Was würdest du anderen Frauen sagen, die gerade in einer ähnlichen Situation sind?
Redet darüber. Holt euch Hilfe. Und habt keine Angst davor, schwach zu wirken. Es ist nicht Schwäche – es ist Stärke, sich verletzlich zu zeigen. Und man muss den Weg nicht alleine gehen. Es gibt viele von uns. Wir müssen nur sichtbarer werden.


Vielen Dank, Diana, für deine offenen Worte.
Wenn du selbst betroffen bist oder jemanden kennst, der Unterstützung braucht, findest du unten einige Links zu hilfreichen Netzwerken und Gruppen.

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